Erasmus: Erfahrungsbericht ΓΌber ein Auslandssemester in Istanbul

Picture of Jahongir Zaynobiddinov

Jahongir Zaynobiddinov

studiert Politikwissenschaft an der Freien UniversitΓ€t Berlin

Ihnalt

Die TΓΌrkei, aber insbesondere Istanbul, ist nicht nur fΓΌr Touristen, sondern auch fΓΌr Erasmus-Studenten eine der aufregendsten Ziele. Mit seiner einladenden Kultur, der alten Architektur, den inspirierenden Aussichten auf den Bosporus und vergleichsweise preiswertem Leben ist Istanbul ein Reiseort, der unbedingt besucht werden sollte. Man kann die Energie und Stimmung der Stadt an so vielen Stellen nachvollziehen: beispielsweise, wΓ€hrend man auf einer FΓ€hre durch einen MΓΆwenschwarm ΓΌber den Bosporus schippert, beim traditionellen FrΓΌhstΓΌck mit tΓΌrkischem Tee, beim Spaziergang entlang der Ufer in KadikΓΆy, beim Biertrinken auf der Dachterrasse in Taksim, beim Besuch hipper Gegenden wie Balat oder aber beim Einkaufen auf dem Großen Bazar. In der Metropole mit 16 Millionen Einwohnern kommen neben der jΓΌdischen Kultur auch christliche Kirchen, griechische Zitadellen, arabische Mosaike und islamische Minarette zusammen; sie dient aber v. a. als Peripherie zwischen europΓ€ischer und asiatischer Geschichte. Doch neben den vielen schΓΆnen Seiten der Großstadt gibt es auch einige negative Aspekte, ΓΌber die interessierte Reisende Bescheid wissen sollten. In diesem Beitrag mΓΆchte ich daher von meinen positiven und negativen EindrΓΌcken, aber auch von erwΓ€hnenswerten Erfahrungen in den Bereichen Leben, Studium und Reisen in der TΓΌrkei berichten, die ich wΓ€hrend meines halbjΓ€hrigen Aufenthaltes dort sammeln konnte.

Eine gelungene Bewerbung als Grundlage fΓΌr ein Erasmus-Auslandssemester

Bevor ich das Auslandssemester in der TΓΌrkei beschreibe, mΓΆchte ich kurz klΓ€ren, wie und wann man eine Bewerbung fΓΌr das Erasmus-Studium einreichen sollte. Wenn du als Bachelor-, Master- oder PHD-Student ein Erasmus-Semester im Ausland planst, solltest du die wichtigen Voraussetzungen immer im Auge behalten. Die Ausschreibung fΓΌr ein Erasmus-Semester erfolgt in der Regel ΓΌber dein Institut oder deinen Fachbereich, fΓΌr den du dich immatrikuliert hast. Die Unterlagen, die generell mit der Bewerbung eingereicht werden mΓΌssen, sind: eine Online-Bewerbung, ein Motivationsschreiben, ein Lebenslauf, bisherige Leistungs- und Sprachnachweise, eine aktuelle Immatrikulationsbescheinigung und ein Empfehlungsbrief von deinen Professoren. Die Entscheidung ΓΌber die Auswahl der Studenten erfolgt zum grâßten Teil durch ein sehr ΓΌberzeugendes Motivationsschreiben und bisherige positive Studienleistungen, die sich noch hervorragend durch zusΓ€tzliche EhrenΓ€mter o. Γ€. unterstΓΌtzen lassen. Wenn du schließlich ausgewΓ€hlt wurdest, bekommst du bald einen BestΓ€tigungsvertrag mit allen persΓΆnlichen Angaben. Weitere Informationen ΓΌber das Antragsverfahren findest du unter: https://erasmus-plus.ec.europa.eu/de/antragsverfahren  oder https://www.esn.org/erasmus.

Das Leben in Istanbul

Istanbul schlΓ€ft nie – das war zumindest mein Eindruck, denn die Stadt ist sowohl am Tag als auch in der Nacht in vollem Gange (man kennt einen Γ€hnlichen Trubel vielleicht aus Shanghai, London und New York). GeschΓ€fte, CafΓ©s und Bars sind rund um die Uhr geΓΆffnet. Sogar schon um 3 Uhr morgens sieht man Leute, die zur Arbeit gehen, Simit verkaufen, Kaffee trinken, mit Freunden spazieren gehen oder zu Livemusik auf der Straße tanzen. Istanbul ist eine riesige Stadt und es dauert daher eine Weile, um von A nach B zu kommen: Alle Arten von ΓΆffentlichen Verkehrsmitteln, von Minibussen, U-Bahnen, Metrobussen bis hin zu FΓ€hren, fahren ΓΌber jede Ecke in der Stadt. Aufgrund der vielen endlosen Staus, gerade zur Rushhour, ist es aber empfehlenswert, den Γ–PNV zu nutzen. Ich kann euch nur ans Herz legen, wenn mΓΆglich, eine universitΓ€tsnahe oder zentralliegende Unterkunft zu suchen, da euch das viel Zeit und Energie spart. Eine gute WG oder eine ansprechende Wohnung zu finden, erfordert allerdings etwas MΓΌhe und Geduld. Istanbul ist jedoch ein Ort, an dem β€žVitamin Bβ€œ wirklich helfen kann, solche Schwierigkeiten einfach und schnell zu ΓΌberwinden – persΓΆnliche Beziehungen und Bekanntschaften sind hier immer (!) von Vorteil. Mit ihnen kann man sich einfach schneller in die Gesellschaft integrieren, die Sprache lernen und die einheimische Denkweise besser verstehen. Neben den typischen touristischen SehenswΓΌrdigkeiten gibt es in der Stadt viele aufschlussreiche AktivitΓ€ten, die es dir als Neuzugang ermΓΆglichen kΓΆnnen, Istanbul aus einem anderen Blickwinkel zu entdecken: Hier lassen sich beispielhaft das Balat-Viertel, der Beylerbeyi-Palast, das Museum fΓΌr tΓΌrkische und islamische Kunst sowie der Yildiz-Park nennen.

Kosten

Das Erasmus-Studentenleben in Istanbul unterscheidet sich grundlegend von anderen europΓ€ischen StΓ€dten wie Oslo, Paris oder Madrid: Durch den Wertverlust der tΓΌrkischen Lira in den letzten Monaten sind nΓ€mlich die Lebenserhaltungskosten fΓΌr Studenten, beispielsweise fΓΌr die Unterkunft und Lebensmittel, recht gΓΌnstig geworden. Man kommt tatsΓ€chlich ca. 350 Euro im Monat gut zurecht: Einen Platz in einer WG findet man je nach Region zwischen 100 und 250 Euro monatlich und im Durchschnitt gibt man fΓΌr Lebensmittel nur etwa 150 Euro aus. Hinzu kommen dann ggf. zusΓ€tzliche Kosten fΓΌr den Mobilfunkanbieter, das Semesterticket, die Krankenversicherung, AusflΓΌge usw.

Studium

Das akademische Unterrichtsniveau kann, je nachdem, wer die Seminare leitet, wirklich sehr unterschiedlich sein – das ist ein Manko, das nicht verschwiegen werden darf. Manche Professoren tragen ihre Vorlesungen wirklich mit großem Interesse vor, sodass sich ihre Motivation und Euphorie direkt auf die Studenten ΓΌbertrΓ€gt – diese EinzelfΓ€lle kΓΆnnen die ZuhΓΆrer mitreißen und problemlos in ihre Welt locken; die Mehrheit hΓ€lt aber leider nur rein symbolische PrΓ€sentationen ohne anschließende Diskussionsrunde. Eine solche systematische Unterrichtsdiskussion und/oder Debatte (also grundlegende Methoden der Professoren in Deutschland) ist im aktuellen Bildungssystem der Marmara-UniversitΓ€t allerdings kaum vorstellbar. Außerdem fΓΌhren die ausgelebte Desorganisation und UnprofessionalitΓ€t des Personals zu berechtigter Unzufriedenheit unter den auslΓ€ndischen Studenten. Unbeantwortete E-Mails, nicht erfΓΌllte Aufgaben sowie stΓ€ndige technische Fehler der Mitarbeiter schrΓ€nken die MobilitΓ€t der Studierenden ein und erfordern dringenden Sonderaufwand um Auskunft. Trotz dieser gravierenden MΓ€ngel ist die UniversitΓ€t mit moderner Technik in den UnterrichtsrΓ€umen und Bibliotheken ausgestattet: Hier wurde wohl eher ein besonderes Augenmerk auf die materialistischen und technischen Komponenten der UniversitΓ€tsgestaltung als auf die pΓ€dagogische und interaktive FΓΆrderung gelegt. FΓΌr einen reibungslosen Ablauf der Erasmus-Semester stehen jedoch immer lokale sog. β€žBuddiesβ€œ des Erasmus Student Network (ESN) zur VerfΓΌgung, die sich deiner Probleme und Fragen gern annehmen: Sie helfen in der Regel bei der Wohnungssuche, der Kursanmeldung, der Beantragung einer Aufenthaltserlaubnis und organisieren Veranstaltungen sowie AusflΓΌge in andere StΓ€dte der TΓΌrkei.

Trotz einiger MΓ€ngel und Schwierigkeiten im Auslandsstudium ist ein Erasmus-Semester in der TΓΌrkei durchaus empfehlenswert: Das Leben in Istanbul erΓΆffnet ganz neue Horizonte fΓΌr die individuelle berufliche Karriere, weil man als Student ΓΌber die eigene Komfortzone hinausdenken muss. Zudem kann man sich als Erasmus-Student, fernab von der sicheren Konvenienz des Bekannten, selbst besser kennenlernen: Eigene Erfahrungen zu sammeln, seien sie nun positiv oder negativ, hilft jedem beim Erwachsenwerden. Istanbul scheint fΓΌr ein Auslandssemester bestens geeignet zu sein: Hier hat man eine unglaubliche Aussicht auf das blaue Meer, leckeres Essen, eine reiche Geschichte, MultikulturalitΓ€t, Sprachen und so viele freundliche Menschen, sodass die negativen Seiten des Lebens und Studierens in Istanbul schnell nebensΓ€chlich werden, sobald sich das ZuhausegefΓΌhl einstellt. Vielleicht braucht man einige Zeit, um wirklich anzukommen – das ist vollkommen normal und nachvollziehbar: FΓΌr mich war es nicht anders! Ich konnte wΓ€hrend meiner Zeit in der TΓΌrkei viele EindrΓΌcke sammeln und tolle Menschen kennenlernen, sodass ich jedem ausnahmslos einen Auslandsaufenthalt ans Herz legen wΓΌrde.

 


Π‘ΠΎΠ»ΡŒΡˆΠ΅ Π½Π° MasimπŸ’›v

ΠŸΠΎΠ΄ΠΏΠΈΡˆΠΈΡ‚Π΅ΡΡŒ, Ρ‡Ρ‚ΠΎΠ±Ρ‹ ΠΏΠΎΠ»ΡƒΡ‡Π°Ρ‚ΡŒ послСдниС записи ΠΏΠΎ элСктронной ΠΏΠΎΡ‡Ρ‚Π΅.

ΠžΡΡ‚Π°Π²ΠΈΡ‚ΡŒ ΠΊΠΎΠΌΠΌΠ΅Π½Ρ‚Π°Ρ€ΠΈΠΉ